The Fairy Queen, Act I, Rondeau - Henry Purcell

Erinnerung

Vor ein paar Wochen lief dieses Lied plötzlich im Radio auf WDR, kurz vor oder nach den Nachrichten. Ich saß in meiner Küche in Soest beim Frühstück.Die Erinnerung daran ist 15 Jahre alt. Ich in meiner ersten Assistenz, eine Musiktheaterproduktion, Sommer in Berlin. Das Lied war mein absolutes Lieblingsstück aus der gesamten Oper. Deshalb hat es der Pianist immer gespielt, um mir eine Freude zumachen. Spiel das Lied! Bitte! Nochmal! Ich kann mich daran erinnern, wie ich dabei auf dem Flügel liege, in immer anderen Proben-und Theaterräumen. Natürlich habe ich mich den Sommer darauf in ihn verliebt und die nächsten Jahre wurden fürchterlich kompliziert. Aber das Lied ist geblieben. Es wurde eine Art Geheimcode, für uns, unsere Freundschaft, trotz aller Komplikationen. Immer zack, sofortige Versöhnung. Instantgefühle für anderthalb Minuten, ein Bekenntnis in einem Raum voller Leute, die gar nicht ahnen, was da passiert. Dann wurde er krank, ein Tumor, der viele Erinnerungen und seine gesamte Sprache zerstört hat. An das Rondeau war für lange Zeit nicht zu denken. An dem Morgen in Soest habe ich das erste Mal seit 20 Jahren ein Klavier angefasst. Ich dachte, mein Gehirn explodiert bei dem Versuch. Jetzt lerne ich das Lied selber. Ich schicke ihm Handyvideos von meinen Versuchen und er lacht über meine ungeschickten Finger, die auf den Tasten rutschen und sagt, nee, ganz toll, fast perfekt und spielt es mir vor, während seine Frau ihn am Klavier filmt. Alles wie in Casablanca. Nur besser.